AUS DER GESCHICHTE DES GSC 08
Als vor nun mehr als 100 Jahren sportbegeisterte
junge Kaufleute in Goslar aus der Enge der kleinen
Vereinslokale und wenigen Turnhallen, in denen
sich zu jener Zeit das turnerische Leben abspielen
musste, hinaus ins Freie drängten und sich dem
damals in der breiten Öffentlichkeit so überaus
verpönten Fußballspiel verschrieben, kannte man
in unserer engeren Heimat noch keinen
organisierten Fußballsport, keinen Verband,
Bezirk oder Kreis, wie sie heute für uns eine
Selbstverständlichkeit sind. Damals traf man
sich in losen Sportgemeinschaften, von denen
es in Goslar unmittelbar nach der Jahrhundert-
wende ein halbes Dutzend gab - unter anderem
den FC Viktoria, FC Goslaria, FC Germania,
FV Britannia, FC Hohenzollern und als krassen
Außenseiter einen FC "Piraten". Diese nannten
sich zwar "Vereine oder "Clubs", bestanden
zumeist nur aus einer einzigen Fußballmann-
schaft und fristeten nur ein kurzes Dasein.
Passive Mitglieder gab es kaum, von Jugend-
oder Knabenmannschaften ganz zu schweigen.
Man spielte in einer Ecke des Osterfeldes,
und jene Teams genossen dort Platzvorrecht,
die sich als erste eingefunden und das Spielfeld
hergerichtet hatten, wobei die Fußballtore mit
Stangen und Latten nur sehr behelfsmäßig
markiert werden konnten. Häufig kam es vor,
dass ein Spieler heute in diesem Klub,
am anderen Sonntag in einem Konkurrenzverein
spielte, ganz wie es die Verhältnisse mit
sich brachten. Man war darüber einander keines-
wegs böse, sprach nicht von Spielerziehung
und drohte auch nicht mit einer Sperre.
Diese Begriffe waren den ersten Fußballspielern
in Goslar völlig fremd. Man spielte ausschließlich
des Spieles willen und jagte dem runden
Leder auf dem Rasen aus reiner Freude
am Fußballsport nach.
In diese Zeit fiel die Gründung des
Kaufmännischen Sport-Club 1908 Goslar,
der am 24. Juni jenes Jahres von einem
Dutzend Fußball begeisterter junger Kaufleute
in der Gastwirtschaft von Schlimme in der
Bäringerstraße aus der Taufe gehoben wurde.
Drogist Rudolf Jordan wurde
1. Vorsitzender des KSC 08.
Er war gleichzeitig Torwart der Fußballmannschaft
und leitete länger als ein Jahrzehnt den Verein,
der im Jahre 1919 als nach dem ersten
Weltkrieg auch aus anderen Bevölkerungs-
schichten ein starker Zustrom zum Fußballsport
einsetzte - in Goslarer Sport-Club von 1908 e.V.
(GSC 08) umbenannt wurde.
Rudolf Jordan hat sich im Zusammenwirken
mit seinen Mannschaftskameraden, die in
den ersten Jahren gleichzeitig seine Mitarbeiter
im Vorstand waren, unbestreitbare Verdienste
um den Ausbau jener kleinen verschworenen
Fußballergemeinschaft zu einem von Jahr
zu Jahr stattlicher werdenden Goslarer
Sport-Club erworben. 2. Vorsitzender
wurde Sportkamerad Rossig, Kassierer Barthel,
Schriftführer Vollbrecht, 1. Mannschaftskapitän
(Spielführer) Hess, 2. Mannschaftskapitän
Holländer. Die weiteren Gründer des
Kaufmännischen Sport-Club 08 waren die
Sportkameraden Kraume, Heimberg, Schünzel,
Zickner, Eberlein und Hofmann.
»Abschiedskneipen«
für Sport-Club-Rekruten
Die Mitgliedsbeiträge setzte man damals auf
1,50 Mark je Vierteljahr fest. Im Gründerjahr
traf man sich allmonatlich zweimal zu
Versammlungen in der Gastwirtschaft
von Schlimme. Die Werbung von neuen
Mitgliedern beschränkte sich zunächst auf
junge Kaufleute. Um den Kontakt innerhalb
des Vereins zu pflegen und zu fördern,
wurden kleine Feiern im damaligen
"Neuen Schützenhaus" am Klusteich arrangiert.
Bereits im Februar des Jahres 1909 wurden
vereinseigene Schwimmabende im Städtischen
Hallenbad durchgeführt. Mit den jungen zu den
Goslarer Jägern einberufenen Rekruten aus den
eigenen Reihen hielt man besonders guten
Kontakt und veranstaltete für jeden zu
den Soldaten eingezogenen Fußballspieler eine
"Abschiedskneipe" im Gasthaus "Felsenkeller".
Mit dem Goslarer Jägerbataillon selbst wie
vor allem mit dem Schüler-Fußball-Verein (SFV)
des Goslarer Realgymnasiums mit Gymnasium
befand man sich im besten Einvernehmen.
Der Nachwuchs für die 1. Fußballelf zum
Beispiel kam seinerzeit zu einem wesentlichen
Teil aus den Reihen der Oberschüler,
die anfangs als Gäste, später als ordentliche
Mitglieder in den Sport-Club aufgenommen
wurden (unter anderem Adolf Alpers, Claer,
Jacobs, Gerberding, Gebüder Wolft,
Fritz Kühne, Kurt Reiß).
»Papa« Lipp -
wertvoller Sport-Club-Zuwachs
In der Gründerzeit gab es im Nordharz noch
keine Fußballspiele um Punkte oder Meistertitel,
um Aufstieg oder gegen den Abstieg, die Zahl
der Vereine und Mannschaften war damals
noch recht klein. Als "Papa" Walter Upp,
beruflich aus Mitteldeutschland kommend,
nach Oker übergesiedelt und am 6. Mai 1910
zum Kaufmännischen SC gestoßen war,
erhielt die damals bereits in Blau-Weiß
spielende Fußballelf damit einen ebenso
wertvollen Spielerzuwachs wie der Verein
später einen tüchtigen 2. Vorsitzenden,
der sich als führender Mann um den Aufbau
eines organisierten Spielbetriebs im
Nordharzgebiet außerordentlich und
entscheidend verdient machte.
1911 die ersten
Fußballpunktspiele
Nachdem die ersten Versuche zur
organisatorischen Zusammenfassung
der Nordharzer Fußball- und Sportvereine
zu einem geschlossenen Sportverband
im Jahre 1910 bei den vorbereitenden
Tagungen im Hotel "Fürstenhof" und im
"Altdeutschen Gildehaus" zu Goslar
gescheitert waren, sahen Walter Lipp,
August Schumburg, der damalige KSC-
Vorsitzende Rudolf Jordan sowie Okers
Vorsitzender Schönemann ihre Bemühungen
schließlich beim dritten Anlauf am
15. September 1911 von Erfolg gekrönt,
wo in "Lüers Hotel" zu Oker der Nordharzer
Rasensport-Verband (NRSV) aus der
Taufe gehoben wurde. Ihm schlossen sich
als erste Vereine der Kaufmännische SC 08
Goslar, FC Viktoria Goslar (mit dem sich
zuvor der FC Hohenzollern vereinigt hatte),
FC Harzburg, FC Union Vienenburg und
der SV Viktoria Oker an, zu denen wenig
später der FC Seesen 1911, FC Goslaria
Goslar und der FC Preußen Wiedelah stießen.
Bei seiner Gründung zählte der Nordharzer
Rasensport-Verband, dessen 1. Vorsitz
Walter Lipp (KSC 08) übernahm,
150 Mitglieder. Bereits am 3. Dezember
des gleichen Jahres wurde dieser Verband
als selbständiger "Bezirk 11 Nordharz"
in den Norddeutschen Fußballverband auf
dessen Hamburger Verbandstag aufgenommen.
Der Start für die ersten Meisterschaftsspiele
im Nordharz war damit gegeben!
Der Fußballsport erfuhr zwar durch den Ersten
Weltkrieg eine Unterbrechung, danach aber
führte seine Entwicklung steil aufwärts,
an der die Blau-Weißen von Goslar 08
maßgeblich beteiligt waren. Acht Jahre
nacheinander blieben sie damals im Besitz des
Titels eines Nordharzer Bezirksfußballmeisters!
Der Nordharz sollte
»kassiert« werden
Die Versuche des Braunschweiger Bezirks,
den schon bei seiner Gründung gut
organisierten Nordharzer Fußballverband
zu "kassieren", scheiterten an der
selbstbewussten Haltung der Nordharzer
Verbandsführer Walter Lipp und seines
Stellvertreters und späteren 1. Vorsitzenden
August Schumburg, die damals bereits
ausgezichneten Kontakt mit den "Allgewaltigen"
des Norddeutschen Fußballverbandes pflegten.
Über 20 Jahre lagen die Geschicke des
damaligen Bezirks 11 und späteren Kreises
Nordharz bei diesen beiden Männern in besten
Händen. Zahlenmäßig vergrößerte sich der
Nordharz durch Zuwachs des MTV Vienenburg,
SC 16 Vienenburg, SC Osterwieck,
SV Bockenern, FC Groß Rhüden, VfV Seesen und
später durch die Vereine im Harzvorland zu einem
musterhaft geleiteten großen Fußballkreis.
1912 gastierte
Eintracht Braunschweig in Goslar
Rechtzeitig knüpfte man Verbindungen zu
den Nachbarverbänden an. Das erste große
Schlagerspiel für Goslar wurde die Begegnung
zwischen dem Kaufmännischen SC 08 mit einer
spielstarken Reisemannschaft von Eintracht
Braunschweig am 27. April 1912.
Welch prominenter Klub die Einträchtler
schon damals waren, besagt allein die Tatsache,
dass sie über eine Reihe bekannter
Repräsentativspieler verfügten ein Tull Harder
beispielsweise wurde bei der Eintracht groß,
ehe er zum Hamburger Sport-Verein wechselte.
Für das Goslarer Propagandatreffen auf der
Siechenhofwiese boten die Braunschweiger mit
Richard Queck einen ihrer besten Stürmer auf,
der schon sehr früh gegen Ungarn sogar zu
Länderspielehren gekommen war.
Insgesamt wurde der Braunschweiger dreimal
in die deutsche Nationalelf berufen.
Das besagte Ungarn-Spiel war am 4. April 1909
(3:3 in Budapest) erst das fünfte der
DFB-Länderspielgeschichte. Am 26. Oktober 1910
erzielte Queck in Kleve den deutschen
Ehrentreffer bei der 1:2-Niederlage
gegen Holland, und beim 4:4 gegen den
gleichen Gegner am 5. April 1914 war der
Braunschweiger erneut mit einem Treffer beteiligt.
Zurück zu diesem denkwürdigen Spiel in Goslar:
Welche Bedeutung man auf Seiten der Gastgeber
dieser Partie gegen Braunschweig beimaß,
geht daraus hervor, dass der Kaufmännische
SC 08 jedem Zuschauer ein gedrucktes
Programm mit den Aufstellungen beider Teams
überreichte - für seinerzeitige Verhältnisse
etwas ganz Außergewöhnliches in Goslar!
Vom Osterfeld
zur Siechenhofwiese
Sehr bald hatte sich das auf dem obere
Osterfeld für mehrere Klubs und Mannschaften
zur Verfügung stehende einzige Fußballfeld für
den an Mitgliedern und Mannschaften immer
stärker wachsenden Sport-Club als zu klein
erwiesen. Man ergriff schnell die Initiative,
suchte nach einer Ausweichmöglichkeit und
fand als passendes Objekt die Siechenhofwiese
- das heutige Industriegelände der Odermark-
Herrenkleiderwerke. Dort schlug man bereit
im Oktober 1911 seine sportlichen Zelte auf,
übernahm die Siechenhofwiese von der
Stadt in Jahrespacht und baute das Gelände
dank Zeichnung von Anteilscheinen aus eigenen
Kreisen - zu einem Spiel- und Sportplatz aus.
Nach dem Fußball
die Leichtathletik
Bewusst haben wir eingangs die fußballsportliche
Entwicklung in der Gründerzeit eingehender
gewürdigt, weil durch sie überhaupt erst die
Grundlagen für den Auf- und Ausbau des
Kaufmännischen SC zum ersten Sportverein
in Goslar und dem Nordharz geschaffen wurden.
Nachdem sich zunächst das sportliche Geschehen
ausschließlich auf den Fußball beschränkt hatte,
wurde zwei Jahre nach der Gründung bereits die
Leichtathletik als neuer Zweig der Leibes-
übungen in das Programm des Sport-Clubs
übernommen und am 16. Oktober 1910 das
erste Klubsportfest mit Wettbewerben über
100 Meter, Kugelstoßen, Fußballweitstoß,
Dreisprung, Speerwurf und Staffellauf auf dem
Osterfeld durchgeführt. Nach dem Umzug
zur Siechenhofwiese - das Klublokal wurde
vom Schützenhaus in den "Braunschweiger Hof"
(August Redmann) verlegt baute man die
ersten "Laufbahnen" längs der Kastanienallee
(auf dem Rasen wie er war, steckte man die
Bahnen mit schmalen weißen Bändern ab)
und ließ eine maßgerechte Sprunggrube
ausheben. Die Folge war, daß die leistungs-
mäßige Entwicklung in der Leichtathletik
schlagartig nach oben führte. So konnte der
Chronist für das Jahr 1912 - vom 1.500-Meter-
Lauf abgesehen - vom Gewinn sämtlicher
Bezirksmeisterschaften sowie je drei zweiter
und dritter Plätze durch Mitglieder des
Kaufmännischen SC 08 berichten.
GOSLARER
SPORTCLUB VON 1908
© Goslarer Sport Club von 1908 e.V.